Die direkte Demokratie ergänzt und belebt die repräsentative Gemeindeverfassung. Unmittelbare – direkte – Demokratie bereitet aber auch Probleme.
Das Spannungsfeld in dem Verhältnis zwischen dem Repräsentationsorgan „Rat“ und der Bürgerschaft regelt die Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen in § 26 GO NRW (am Ende des Artikels abgedruckt). Ein Instrument der direkten Demokratie ist das Bürgerbegehren auf Durchführung eines Bürgerentscheids.
Die Bürger können beantragen, dass sie an Stelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden, § 26 Abs. 1 S. 1 GO NRW.
Der Konflikt ist vorgezeichnet – die Bürger machen von einem „Rückholrecht“ der eigentlich delegierten Aufgabe Gebrauch. Das Begehren wendet sich eventuell sogar gegen bereits getroffene Beschlüsse des Rates.
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid führten in dem oben aufgezeigten Spannungsfeld schon zu vielen streitigen Auseinandersetzungen vor den Gerichten. Die Streitigkeiten bezogen sich auf inhaltliche sowie auf formelle Aspekte. Nachfolgend sollen nur einige Problemstellungen kurz skizziert werden:
1. Angelegenheiten der Gemeinde
Ein Bürgerbegehren auf Durchführung eines Bürgerentscheides ist nur in „Angelegenheiten der Gemeinde“ zulässig. Unzulässig sind also kommunale Abstimmungen zu allgemeinpolitischen Fragen. Plakativ kann hier ein vom VGH Mannheim entschiedener Fall zur „atomwaffenfreien Zone“ genannt werden (Urteil des VGH Mannheim vom 8. Februar 1988 – 1 S 1919/87):
… Die Behandlung des Themas „atomwaffenfreie Zone“ überschreitet den örtlichen Wirkungskreis der Gemeinde, wenn militärische Einrichtungen, die für eine mögliche Stationierung, Lagerung oder Produktion atomarer, biologischer oder chemischer Waffen konkret in Betracht zu ziehen wären, auf der Gemarkung der Gemeinde weder vorhanden noch geplant sind. …
2. Öffentliche Einrichtungen
Oft mussten sich Gerichte mit Bürgerbegehren befassen, die öffentliche Einrichtungen betreffen.
Probleme können sich hier ergeben, wenn es sich um Begehren handelt, mit denen vorangegangene Beschlüsse des Rates im Zusammenhang mit der Errichtung einer öffentlichen Einrichtung bekämpft werden sollen. Um eine kontinuierliche und sachgerechte Verwaltung der Kommunen sicherzustellen, hat der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen die Zulässigkeit solcher Bürgerbegehren an die Fristen von sechs Wochen bzw. drei Monaten geknüpft, § 26 Abs. 3 GO NRW. Die Beschlüsse des Rates sind also nur innerhalb weniger Wochen angreifbar und danach dem unmittelbaren Zugriff der Bürger entzogen. Im Zusammenhang mit der Errichtung oder der Schließung öffentlicher Einrichtungen wird es aber oft nicht nur einen, sondern ggf. mehrere Beschlüsse des Rates geben, die sich mit der Angelegenheit befassen. Die verschiedensten Beschlüsse können in Rede stehen. Es kann etwa um Planungs-, Rahmen- und Grundsatzbeschlüsse gehen. Auch können wiederholende oder ergänzende Beschlüsse betroffen sein. Bürgerentscheidsfähig sind zum einen die sogenannten „weichenstellenden“ Beschlüsse, die etwa die Einleitung der Planung, die Standortfrage oder wesentliche Fragen der Gestaltung betreffen (vgl. OVG Mannheim, Urteil vom 14. November 1983 – 1 S 1204/83 -):
… Das Bürgerbegehren richtet sich aber gegen einen Gemeinderatsbeschluss im Sinne von § 21 Abs. 3 BadWürtt GO mit der Folge, dass es nur innerhalb der in dieser Vorschrift festgelegten Vierwochenfrist eingereicht werden konnte. … Jedenfalls dann, wenn wie hier die Standortfrage abschließend geklärt ist, die Kosten und die Finanzierung des Vorhabens festgelegt sind sowie über die Gestaltung des Vorhabens Gewissheit besteht, ist ein Beschluss des Gemeinderats, mit dem die Planungsphase zum Abschluss gebracht wird und der Entwurf in ein förmliches Baugenehmigungsverfahren eingebracht wird, ein Beschluss im Sinne von § 21 Abs. 3 S. 3 BadWürtt GO. Dementsprechend war entgegen der Auffassung des VG der Beschluss des Gemeinderats vom 3. 2. 1982 ein „Errichtungsbeschluss“. … Entgegen der Auffassung der Kl. war die maßgebliche Ausschlussfrist spätestens am 26. 3. 1982 abgelaufen. Denn der genannte Beschluss vom 3. 2. 1982 ist spätestens mit dem Amtsblatt vom 26. 2. 1982 bekanntgegeben worden. …
3. Negativkatalog in § 26 Abs. 5 GO NRW
Unzulässig sind Begehren über verwaltungsinterne und personelle Angelegenheiten der Gemeinde und des Rates, § 26 Abs. 5 Nrn. 1 und 2 GO NRW. Abstimmungen über „haushaltsrelevante“ Themen sind ausgeschlossen, § 26 Abs. 5 Nrn. 3 und 4 GO NRW. Weiterhin sind in Nordrhein-Westfalen Bürgerbegehren gemäß § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NRW unzulässig in Angelegenheiten, die Gegenstand eines Planfeststellungsverfahrens oder eines anderen förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung sein können sowie Bürgerbegehren zu Bauleitplänen, § 26 Abs. 5 Nr. 6 GO. Weiterhin sind Bürgerbegehren unzulässig, die Rechtsstreitigkeiten betreffen, § 26 Abs. 5 Nr. 7 GO NRW und die „fremde Angelegenheiten betreffen, § 26 Abs. 5 Nr. 8 GO NRW. Schließlich sind Bürgerbegehren mit rechtswidrigem Ziel unzulässig, § 26 Abs. 5 Nr. 9 GO NRW. Auch darf über die Angelegenheit in den letzten beiden Jahren ein Bürgerentscheid nicht durchgeführt worden sein.
4. Schriftform und Mindestinhalt des Begehrens
Der Antrag (Bürgerbegehren) auf Durchführung eines Bürgerentscheids muss gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 GO NRW in schriftlicher Form gestellt werden.
Es muss eine zur Entscheidung zu bringende Frage enthalten, § 26 Abs. 2 S. 1 GO NRW. Über die Fragestellung gemäß § 26 Abs. 7 GO NRW darf nur mit „ja“ oder „nein“ geantwortet werden. Die Frage muss aus der Sicht eines verständigen Bürgers verständlich sein.
Das Begehren muss eine Begründung enthalten und einen Kostendeckungsvorschlag enthalten, § 26 Abs. 2 S. 1 GO NRW.
Vertreter müssen benannt werden, § 26 Abs. 2 S. 2 GO NRW.
Der Antrag muss fristgerecht eingereicht werden, § 26 Abs. 3 GO NRW.
Das Unterschriftenquorum ist einzuhalten.
Da das Begehren nur zulässig ist wenn die oben angeführten förmlichen und materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, stellt der Rat nach § 26 Abs. 6 S. 1 GO NRW unverzüglich fest, ob das Bürgerbegehren zulässig ist.
§ 26 GO NRW – Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
(1) Die Bürger können beantragen (Bürgerbegehren), dass sie an Stelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden (Bürgerentscheid). Der Rat kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder beschließen, dass über eine Angelegenheit der Gemeinde ein Bürgerentscheid stattfindet (Ratsbürgerentscheid). Absatz 2 Satz 1 sowie die Absätze 5, 7, 8 und 10 gelten entsprechend.
(2) Das Bürgerbegehren muss schriftlich eingereicht werden und die zur Entscheidung zu bringende Frage, eine Begründung sowie einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten. Es muss bis zu drei Bürger benennen, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten. Die Verwaltung ist in den Grenzen ihrer Verwaltungskraft ihren Bürgern bei der Einleitung eines Bürgerbegehrens behilflich.
(3) Richtet sich ein Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Rates, muss es innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntmachung des Beschlusses eingereicht sein. Gegen einen Beschluss, der nicht der Bekanntmachung bedarf, beträgt die Frist drei Monate nach Sitzungstag.
(4) Ein Bürgerbegehren muss in Gemeinden
– bis 10.000 Einwohner von 10 %
– bis 20.000 Einwohner von 9 %
– bis 30.000 Einwohner von 8 %
– bis 50.000 Einwohner von 7 %
– bis 100.000 Einwohner von 6 %
– bis 200.000 Einwohner von 5 %
– bis 500.000 Einwohner von 4 %
– über 500.000 Einwohner von 3 %
der Bürger unterzeichnet sein. Die Angaben werden von der Gemeinde geprüft. Im Übrigen gilt § 25 Abs. 4 entsprechend.(5) Ein Bürgerbegehren ist unzulässig über
1.die innere Organisation der Gemeindeverwaltung,
2. die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Rates, der Bezirksvertretungen und der Ausschüsse sowie der Bediensteten der Gemeinde,
3. die Haushaltssatzung einschließlich der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe sowie die kommunalen Abgaben und die privatrechtlichen Entgelte,
4. die Eröffnungsbilanz, den Jahresabschluss und den Gesamtabschluss der Gemeinde und den Jahresabschluss der Eigenbetriebe,
5. Angelegenheiten, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens oder eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung oder eines abfallrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen, wasserrechtlichen oder vergleichbaren Zulassungsverfahrens zu entscheiden sind,
6. die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen,
7. Entscheidungen über Rechtsbehelfe und Rechtsstreitigkeiten,
8. Angelegenheiten, für die der Rat keine gesetzliche Zuständigkeit hat,
9. Anträge, die ein gesetzwidriges Ziel verfolgen oder gegen die guten Sitten verstoßen,
10. Angelegenheiten, über die innerhalb der letzten zwei Jahre bereits ein Bürgerentscheid durchgeführt worden ist.(6) Der Rat stellt unverzüglich fest, ob das Bürgerbegehren zulässig ist. Gegen die ablehnende Entscheidung des Rates können nur die Vertreter des Bürgerbegehrens nach Absatz 2 Satz 2 Widerspruch einlegen. Entspricht der Rat dem zulässigen Bürgerbegehren nicht, so ist innerhalb von drei Monaten ein Bürgerentscheid durchzuführen. Entspricht der Rat dem Bürgerbegehren, so unterbleibt der Bürgerentscheid. Den Vertretern des Bürgerbegehrens soll Gelegenheit gegeben werden, den Antrag in der Sitzung des Rates zu erläutern. Ist die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt, darf bis zur Feststellung des Ergebnisses des Bürgerentscheids eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung der Gemeindeorgane nicht mehr getroffen oder mit dem Vollzug einer derartigen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, es sei denn, zu diesem Zeitpunkt haben rechtliche Verpflichtungen der Gemeinde hierzu bestanden (Sperrwirkung des zulässigen Bürgerbegehrens).
(7) Bei einem Bürgerentscheid kann über die gestellte Frage nur mit Ja oder Nein abgestimmt werden. Die Frage ist in dem Sinne entschieden, in dem sie von der Mehrheit der gültigen Stimmen beantwortet wurde, sofern diese Mehrheit mindestens 20 vom Hundert der Bürger beträgt Bei Stimmengleichheit gilt die Frage als mit Nein beantwortet.
(8) Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Ratsbeschlusses. Vor Ablauf von zwei Jahren kann er nur auf Initiative des Rates durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden.
(9) In kreisfreien Städten können Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in einem Stadtbezirk durchgeführt werden, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, für welche die Bezirksvertretung zuständig ist. Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass
1. das Bürgerbegehren von im Stadtbezirk wohnenden Bürgern unterzeichnet sein muss,
2. bei einem Bürgerentscheid nur die im Stadtbezirk wohnenden Bürger stimmberechtigt sind,
3. die Bezirksvertretung mit Ausnahme der Entscheidung nach Absatz 6 Satz 1 an die Stelle des Rates tritt.(10) Das Innenministerium kann durch Rechtsverordnung das Nähere über die Durchführung des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids regeln. Dabei sind die § 32 Abs. 6, § 34a und § 41 der Kommunalwahlordnung zu berücksichtigen.
§ 23 KrO NRW enthält eine sinngemäß entsprechende Regelung.
werner hüsken meint
guten abend,
mein name ist werner hüsken, ich habe in duisburg 10 000 unterschriften für einen Einwohnerantrag zur Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und zweie Dezernenten gesammelt (http://msb-dmb.de/frames/Einwohnerantrag.pdf).
Dieser Antrag wurde in der Ratsitzung am 06.09. vertagt auf den 04.10.2010. Die Ratsvorlage zu diesem Termin wird dem Rat die Ablehnung empfehlen weil die Verwaltung der Auffaussung ist, der Antrag sei unzulässig.
Zwischenzeitlich haben drei Fraktionen den Antrag teilweise (Oberbürgermeister) übernommen. In der Sitzung am 13.09.2010 wurde der ANtrag der Fraktionen abgewiesen, weil er die notwendige 2/3 Mehrheit nicht erreichte.
Innerhalb welcher Frist müsste in diesem Fall ein Bürgerbegehren beantragt sein?
Ist ein Bürgerentscheid zu diesem Thema überhaupt zulässig; wäre es also möglich, anstelle des Verfahrens nach §66 der Gemeindeordnung das Abwahlverfahren per Bürgerentscheid in Gang zu bringen?
mit freundlichen Grüßen
Werner Hüsken
Banater Str. 17 a
47178 Duisburg
0203 571152
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Her Hüsken,
soweit ich Sie verstanden habe, ist ein Ratsbürgerentscheid gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 und 3 GO NRW bzw. ein Abwahlantrag gemäß § 66 Abs. 1 S. 2 GO NRW nicht zustande gekommen (vgl. oben den Wortlaut der Vorschrift des § 26 Abs. 1 S. 2 GO NRW – § 66 Abs. 1 S. 2 GO NRW lautet „Zur Einleitung des Abwahlverfahrens bedarf es eines von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder gestellten Antrags und eines mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder zu fassenden Beschlusses“).
Ich verstehe Ihre erste Frage (Innerhalb welcher Frist müsste in diesem Fall ein Bürgerbegehren beantragt werden?) zunächst so, dass Sie wissen wollen, ob der Ratsbürgerentscheid bzw. der nicht zustande gekommene Abwahlantrag als Beschluss anzusehen ist, gegen den sich ein Bürgerbegehren richten müsste und ob dann die Fristen des § 26 Abs. 3 GO NRW zu beachten sind.
Ich gehe zunächst – ohne eine vertiefte Prüfung der Frage – davon aus, dass sich das Begehren auf die Abwahl des OB richtet und nicht gegen den nicht zustande gekommenen Beschluss zum Ratsbürgerentscheid bzw. gegen den nicht zustande gekommenen Abwahlantrag.
Ihre zweite Frage zu § 66 GO NRW – ob ein Bürgerbegehren/Bürgerentscheid neben dem Abwahlantrag gemäß § 66 GO NRW überhaupt zulässig ist – kann ich auf die Schnelle nicht beantworten.
In Hessen wurde zur Abwahl eines Oberbürgermeisters „Fall Härtel“ entschieden – VG Frankfurt am Main vom 3. August 2005 (7 E 2234/04). Ob § 66 GO NRW mit § 76 HessGO vergleichbare Regelungen enthält, vermag ich – wie gesagt – auf die Schnelle nicht zu beantworten.
Nach einer flüchtigen Prüfung zu den Vorschriften der §§ 66 und 26 GO NRW, die sich nur am Wortlaut des § 66 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GO NRW orientiert, spricht Einiges dafür, dass § 66 GO NRW die gegenüber § 26 GO NRW speziellere Regelung ist. Dies folgere ich zunächst nur aus § 66 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GO NRW: „Der Bürgermeister kann von den Bürgern der Gemeinde vor Ablauf seiner Amtszeit abgewählt werden.“ Dann folgen die Regeln für das Prozedere in § 66 Abs. 1 S. 2 GO NRW: „Zur Einleitung des Abwahlverfahrens bedarf es …“. Wäre daneben § 26 GO NRW anwendbar, so würde die Regelung in § 66 Abs. 1 S. 2 GO NRW „Zur Einleitung des Abwahlverfahrens bedarf es …“ keinen Sinn ergeben. Aber – wie gesagt – da ich im Moment noch einige Arbeit habe, möchte ich hier keine „Halbwahrheiten“ verbreiten und mich festlegen.
Ich würde mich aber freuen, hier über den weiteren Verlauf der Dinge zu lesen.
Grüße
Sönke Nippel
heartbee meint
Wir haben in unserer Stadt ein Bürgerbegehren auf den Weg gebracht, dessen Form auch durch die Stadtverwaltung genehmigt wurde. Nun sammeln wir fleissig Unterschriften und nähern uns stetig dem Ziel.
Jetzt wurde uns mittgeteilt, dass in Fällen, bei denen Bürger zweimal unterschrieben hätten, beide Unterschriften gestrichen würden. Dies sei gem. Kommunalrecht zulässig. Entspricht das der Wahrheit?
Könnte man dagegen Einspruch erheben/vorgehen?
Vielen Dank für eine schnelle Antwort.
Sönke Nippel meint
Hallo heartbee,
bitte entschuldigen Sie die späte Anwort – aber ich konnte bis auf den Hinweis in § 26 Abs. 5 GO NRW (Möglichkeit des Innenministeriums, durch Rechtsverordnung das Nähere zum Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu regeln), nur eine Durchführungsverordnung zur Durchführung des Bürgerentscheids unter folgendem Lin finden (Verordnung zur Durchführung eines Bürgerentscheids). Dort wird zur doppelten Unterschrift beim Bürgerbegehren keine Regelung getroffen.
Deshalb kann ich mich zu der Frage der Gültigkeit einer doppelten oder gar mehrfachen Unterschrift nicht abschließend äußern – allerdings sollten „doppelte (oder mehrfache) Unterschriften“ tatsächlich nur sehr selten vorkommen. Derjenige, der doppelt unterschreibt „täuscht“ (fahrlässig oder vorsätzlich), so dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass eine solche Unterschrift ausgeschlossen werden kann … (und ausgeschlossen werden sollte?) …
Grüße
Sönke Nippel
Bernd Ahlers meint
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe eineganz konkrete Frage zum Thema “ Dichtheitsprüfung von Abwasserleitungen“. Ist ein Antrag auf einen Bürgerentscheid nach § 26 GO wegen des Negativkatalogs des § 26 Abs. 5, Nr. 5 zu diesem Thema in jedem Fall ausgeschlossen ?
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Ahlers
BI „Alles-dicht-in-Nordwalde“
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Herr Ahlers,
so ganz verstehe ich die Frage nicht – aus folgendem Grund:
§ 61 a LWG ist ein Gesetz des Landes. Die Gemeinden haben also im Grunde im Hinblick auf die Dichtheitsprüfung „nichts zu sagen“. Die Gemeinden sind lediglich „Ausführungsorgang“. Eigene Rechte haben die Gemeinden nur gemäß § 61 a Abs. 5 LWG (die Gemeinde kann durch Satzung …).
M. E. bezieht sich also Ihre Frage auf die Problematik von Volksinitiativen bzw. Volksbegehren gemäß Art. 67 a, 68 der Landesverfassung NRW.
Grüße
Sönke Nippel
Walter meint
Sind „Einwohner“ im Sinne des § 26 GO NRW gleichzusetzen mit „Wahlberechtigte“ nach dem Kommunalwahlgesetz?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Walter,
ich habe das so gelernt:
Einwohner ist, wer in der Gemeinde wohnt,
Bürger ist, wer zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt ist.
Dies ist so auch ausdrücklich in § 21 GO NRW fixiert.
Grüße
Sönke Nippel
Susanne Beck meint
Hallo Herr Nippel.Gestern waren die Bürger von 40789 Monheim aufgerufen um ihre Stimme abzugeben. Erhalt der hiesigen Realschule oder Umwandlung der Real-in eine sog. Sekundarschule. Das Stadtoberhaupt D.Zimmermann hatte gestern via Twitter + Facebook dazu aufgerufen für die Sekundarschule zu stimmen.Frage :darf er das? muss er sich in einem Bürgerentscheid nicht zurückhalten?
Ach ja —die Sekundarschule kommt.Bürgermeisterlein hat Ziel erreicht.
vielen Dank
S.Beck
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Frau Beck,
die „Neutraltitätspflicht“ ist ein heikles Thema:
So führt das BVerwG in einem Urteil vom 18. April 1997 ( C 5/96) zu einer Landratswahl in Bayern unter anderem aus:
Ob in dem von Ihnen beschriebenen Fall, in dem es nicht um die Unterstützung von Amtsträgern geht, eine unzulässige Wahlempfehlung vorliegt, vermag ich allerdings nicht abzuschätzen. Ich gehe zunächst davon aus, dass bei Sachfragen die Staaatsorgane auch eine „eigene Meinung“ kundtun können. Inwieweit dem Grenzen gesetzt sind, kann ich hier aber „auf die Schnelle“ nicht wirklich beantworten. Bitte haben Sie dafür Verständnis.
Grüße
Sönke Nippel