Das OVG Münster entschied am 5. Februar 2002 zu dem Informationsrecht eines Ratsmitgliedes (Urteil 15 A 2604/99). Hier stellte es zunächst fest, dass ein „Informationsrecht“ eines Ratsmitgliedes in der Gemeindeordnung zwar nicht ausdrücklich geregelt ist, dem Ratsmitglied zur Ausübung seines Mandates aber selbstverständlich ein Informationsrecht zur Verfügung stehen muss. In dem entschiedenen Fall ging es um das Informationsrecht eines Ratsmitgliedes, zu einem Bewerberverfahren um den Beigeordneten und Kämmerer Erkundigungen einzuholen. Das OVG stellte fest, dass eine unter Verletzung eines Informationsanspruches der Ratsmitglieder erfolgte Wahl eines Beigeordneten rechtswidrig ist:
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(Rdnr. 81) Das Informationsrecht des einzelnen Mitgliedes der kommunalen Vertretungskörperschaft hat in der Gemeindeordnung weder im Allgemeinen noch im Hinblick auf die Wahl der Beigeordneten eine ausdrückliche Regelung erfahren. § 43 Abs. 1 GO NRW verhält sich über die Rechte der einzelnen Ratsmitglieder nur mittelbar. Hiernach üben diese ihre Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung aus; sie sind an Aufträge nicht gebunden. Das Informationsrecht des einzelnen Ratsmitgliedes wird dabei ebenso wie das Recht auf Ausübung des Mandats als selbstverständlich vorausgesetzt.
(Rdnr. 82) Zwar sind die Mitglieder des Rates ebenso wie die Gemeindevertretung insgesamt in erster Linie mit Verwaltungsaufgaben befasst. Sie sind daher nicht Parlamentarier, sondern Mitglieder des obersten Verwaltungsorgans der Gemeinde und folglich Teil der vollziehenden Gewalt.(Rdnr. 84) Ihre Rechtsstellung ist aber maßgebend von dem Umstand bestimmt, dass sie – insoweit mit Mitgliedern von Landtagen und Bundestag vergleichbar – von den Bürgern in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt (§ 42 Abs. 1 GO NRW) und mit eigenen organschaftlichen Rechten ausgestattet sind. Als Mitglieder des Gemeinderates sind sie Repräsentanten der Gemeindebevölkerung. Wie Parlamentariern steht ihnen nicht nur das Recht zu, in den Gremien, denen sie als Volksvertreter angehören, abzustimmen, sondern auch das Recht, über den Abstimmungsgegenstand zu beraten. Dieses Beratungsrecht setzt voraus, dass über den Beratungsgegenstand die notwendigen Informationen zur Verfügung stehen, wobei es den Ratsmitgliedern frei steht, ob sie von der gebotenen Informationsmöglichkeit Gebrauch machen oder nicht. Dies schließt es im Grundsatz aus, eine Frage zur Abstimmung zu stellen, zu der den Mitgliedern des Gemeinderats oder Einzelnen von ihnen keine oder unvollständige Informationen zur Verfügung standen. Das Informationsrecht des einzelnen Mitgliedes der Vertretungskörperschaft dient nicht nur einer größtmöglichen Richtigkeitsgewähr hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung, sondern auch dem Schutz etwaiger Minderheitenpositionen. Nur durch eine möglichst umfassende und unterschiedslose Informationsmöglichkeit aller Mitglieder wird eine praktikable Möglichkeit eröffnet, eigene und vom Mehrheitsvotum abweichende Vorstellungen einzubringen und eine geänderte Beschlussfassung zu erwirken.
(Rdnr. 86) Eine Abstimmung über eine Frage, zu der den Ratsmitgliedern keine oder nur unvollständige Informationen zur Verfügung stehen, verfehlt ihren Zweck. Gerade die Debatte vor im Wesentlichen gleichem Informationshintergrund eröffnet die Möglichkeit alternativer Sachentscheidungen und – worauf das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Rechte der Abgeordneten des Deutschen Bundestages ausdrücklich hingewiesen hat – Möglichkeiten des Ausgleichs widerstreitender Interessen, die sich bei einem weniger transparenten Verfahren so nicht ergeben hätten.
(Rdnr. 88) Hierbei bestimmt sich der Umfang des Informationsanspruchs nach der Art der anstehenden Entscheidung im Einzelfall. Stehen bei der Wahl eines Beigeordneten – wie vorliegend – Informationen nur zu einem Kandidaten aus einem Bewerberfeld zur Verfügung, ist dieser Informationsanspruch verletzt. Den Mitgliedern des Rates standen zur hier streitbefangenen Entscheidung lediglich ein kurzer Abriss des Bewerbungsverfahrens und ein als vertraulich bezeichneter Bericht des Personalberatungsunternehmens K. zur Verfügung, der sich zur Qualifikation und zum beruflichen Werdegang des Beigeladenen verhält und mit einem Kommentar des Beratungsunternehmens schließt. Informationen über die anderen Bewerber, insbesondere deren Bewerbungsunterlagen waren den Ratsmitgliedern weder im Vorfeld der Abstimmung des Rates noch am Tag der Ratssitzung zugänglich. Aus der Sicht des einzelnen Ratsmitgliedes bestand folglich nur eine Informationsmöglichkeit über einen einzigen der Bewerber, obwohl sich auf die Ausschreibung und infolge persönlicher Ansprache durch das Personalberatungsunternehmen eine Vielzahl von Personen um die Stelle beworben hatten. Die Möglichkeit, andere Personen aus dem Bewerberfeld zur Wahl vorzuschlagen, war den Mitgliedern des Rates damit von vornherein verwehrt. Die der Wahl vorausgehende Sichtung des Bewerberfeldes und die Vorbereitung der Wahl mussten sich mithin auf das Für und Wider des vorgeschlagenen Kandidaten beschränken. Diese Verfahrensweise ist mit dem Informationsrecht der Ratsmitglieder nicht zu vereinbaren. Dieses verlangt eine Möglichkeit zu vollständiger Information über den Kreis der Bewerber für die Stellung eines kommunalen Wahlbeamten auch dann, wenn Gewinnung und Auswahl der Bewerber unter Hinzuziehung eines privaten Personalberatungsunternehmens erfolgen. Die Wahl der Beigeordneten gehört gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 lit. c) GO NRW zum unübertragbaren Vorbehaltsgut des Rates. Ist hiernach die Übertragung der Entscheidung auf andere Gremien innerhalb der Verwaltung ausgeschlossen, so darf die Hinzuziehung Privater bei der Vorbereitung der Wahl, die aus personalwirtschaftlichen Überlegungen im Sinne einer Bestenauslese erwünscht sein mag, erst recht nicht zu einer Einschränkung der den Ratsmitgliedern in Zusammenhang mit dieser Wahl zukommenden Rechte führen. Dies gilt auch dann, wenn sich der vom Rat beauftragte Oberbürgermeister ausweislich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens zu strengster Verschwiegenheit bezüglich aller Daten der potenziellen Stellenanwärter verpflichtet hat. Denn die Ausgestaltung privatrechtlicher Verträge hat auch in diesem Falle den kommunalverfassungsrechtlichen Vorgaben zu folgen. Ebenso wie die Übertragung öffentlicher Aufgaben auf Private, darf deren beratende und unterstützende Hinzuziehung nicht zu einer Beeinträchtigung demokratisch legitimierter Mitwirkungs- und Kontrollrechte führen. Jede andere Handhabung würde eine kommunalverfassungsrechtlich unzulässige Verlagerung eines Teils der Auswahlentscheidung aus dem Rat auf hierzu nicht legitimierte Organe bedeuten. Dies gilt auch dann, wenn die Hinzuziehung Privater dem Ziel dient, Personen für die zu besetzende Position zu interessieren, die sich auf die öffentliche Ausschreibung von sich aus voraussichtlich nicht beworben hätten, etwa weil sie sich aus einer bestehenden herausgehobenen Position bewerben müssten.
(Rdnr. 91) Ist die Ausübung dieser Rechte infolge der Hinzuziehung eines Privaten tatsächlich oder rechtlich unmöglich, führt dies zur Rechtswidrigkeit eines gleichwohl herbeigeführten Wahlbeschlusses des Rates. In einem solchen Fall besteht Anlass zu einer Verschiebung der Ratsentscheidung bis zu einer Behebung des Mangels. …
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Ralf Thiel meint
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