Hier im Forum wurde die Frage aufgeworfen, ob ein Ratsmitglied, welches als Freiberufler mit einem Planungsbüro für Bau- und Straßenbau tätig ist und ganz erheblich von der Kommune mit Aufträgen bedacht wird, überhaupt in den Bauausschuss gewählt werden darf (Link: Ausschließungsgründe – Mitwirkungsverbot und Befangenheit).
Dreh- und Angelpunkt ist m. E. der Begriff des unmittelbaren vor- oder Nachteils im Sinne des § 31 Abs. 1 GO NW. Hier gilt, dass der Begriff des unmittelbaren Vor- oder Nachteils weit auszulegen ist, damit auch schon der Anschein von Unkorrektheit in der kommunalen Arbeit vermieden wird.
Zwei Beispielsfälle aus der Rechtsprechung die sich mit dem Begriff der Befangenheit befassen, möchte ich hier zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage skizzieren:
1. Ein Urteil des VG Minden vom 24. August 1988 (10 K 645/88) befasste sich mit der Befangenheit eines Ratsmitgliedes und Vorsitzenden des Rechtsausschusses, der in einer Anwaltssozietät arbeitete. In dem Rechtsausschuss wurde ein Baurechtsstreit erörtert, den die Stadt gegen eine Firma führte. Ein Mitglied aus der Sozietät des Ausschussvorsitzenden vertrat die Baufirma. Der Rat fasste schließlich den Beschluss, dass der Ausschussvorsitzende in der Angelegenheit als befangen gilt. Gegen den Beschluss klagte der Ausschussvorsitzende.
Das VG Minden führte u. a. aus:
„Etwaige vom Rat in der Sache „(Rechtsstreit zwischen der Stadt und der Baufirma) zu treffende Entscheidungen waren und sind nämlich geeignet, der (auch) vom Kläger vertretenen Rechtsanwaltssozietät des Klägers einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil zu bringen. Befangenheit in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn bei einem ehrenamtlich tätigen Bürger ein individuelles Sonderinteresse gegeben ist, welches die auf einem Ausgleich öffentlicher und privater Interessen beruhenden Entscheidungen des Gemeinderats beeinträchtigen und damit zugleich das Vertrauen der Bürger in eine am Wohl der Allgemeinheit orientierte und unvoreingenommene Kommunalverwaltung schwächen könnte. “
„Ein in der Sozietät nicht mit dieser Angelegenheit befasster Rechtsanwalt ist als Ratsmitglied bei dieser Angelegenheit gemäß § 23 NRW GO (alte Fassung) ausgeschlossen. „
2. Ein Urteil des OVG Münster vom 20. September 1983 (7 a NE 4/80) befasste sich mit der Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes wegen Mitwirkung befangener Ausschuss- bzw. Ratsmitglieder, insbesondere mit der Mitwirkung eines sachkundigen Bürgers, der im Planungsgebiet Gewerberäume anmieten will im Planungsausschuss bzw. der Mitwirkung eines Ratsmitgliedes, dessen Ingenieurbüro mit Aufträgen im Zusammenhang mit der Planverwirklichung rechnen konnte.
Das OVG führt aus:
– zu dem sachkundigen Bürger S, der im Planungsgebiet Gewerberäume anmieten wollte:
„Die Geschäftslage der von der Ehefrau des Ausschussmitgliedes S in dem Haus betriebenen Modeboutique wird unmittelbar durch die Festsetzungen des Bebauungsplan beeinflusst, der die planungsrechtliche Absicherung der D-Straße als Fußgängerzone auf die Grundlage einer rückwärtigen Erschließungsstraße beinhaltet. Die mit diesem Planungskonzept verbundenen Vor- und Nachteile mussten nicht nur für den Eigentümer des Grundstücks D.-Straße, sondern auch für die Eheleute S als Mieter eines durch die Planung direkt betroffenen Ladenlokals von erheblicher Bedeutung sein. “
„Die unter Verletzung des Mitwirkungsverbotes erfolgte Beteiligung des Ausschussmitgliedes S an der Ausschusssitzung schlägt deshalb auf das gesamte Planverfahren durch und stellt „einen zur Unwirksamkeit des angefochtenen Bebauungsplanes führenden Verfahrensfehler dar. „.
– zur Mitwirkung des Ratsherrn K, der als Vorsitzender des Planungsausschusses und Ratsmitglied während des Planaufstellungsverfahrens erheblichen Anteil am Zustandekommen des Bebauungsplanes hatte:
„Nach den für seine Mitwirkung vom Inkrafttreten des Ónderungsgesetzes vom 27. Juni 1978 an geltenden §§ 30 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 23 Abs. 1 NRW GO 1978 war er als Ausschuss- und Ratsmitglied von der Mitwirkung ausgeschlossen, weil die Entscheidung über den Bebauungsplan ihm selbst einen unmittelbaren Vorteil bringen konnte – den er im Übrigen durch den späteren Erschließungsauftrag auch tatsächlich erhalten hat. Zwar liegt beim Ratsherrn K keine Interessenkollision in Bezug auf eine durch den Bebauungsplan beeinflusste Grundstücksnutzung vor. Einen unmittelbaren Vorteil im Sinne eines individuellen Sonderinteresses konnte er aber deshalb erlangen, weil er sich als Gesellschafter der Ingenieurgesellschaft G und K durch ein Zustandekommens des Bebauungsplans beruflich-wirtschaftliche Vorteile versprechen konnte. “
„Angesichts der besonderen Geschäftsbeziehungen der Ingenieurgesellschaft G und K zur Stadt konnte jedenfalls dieses Ingenieurbüro konkret damit rechnen, mit der Planung und Durchführung von Erschließungsmaßnahmen zur Verwirklichung des streitigen Bebauungsplans beauftragt zu werden; „
3. Schlussendlich bleibt also noch einmal festzuhalten, dass der Begriff des unmittelbaren Vorteils im Sinn des § 31 Abs. 1 GO NW weit auszulegen. Schon „der böse Anschein“ soll vermieden werden.
In Beantwortung der von „eifelmaen“ ausgesprochenen Fragen kann also nur ausgeführt werden:
Das Verlassen des Raums ist immer angesagt, wenn auch nur „ansatzweise“ Sonderinteressen betroffen sein könnten.
Die Möglichkeit der Mitarbeit im Bauausschuss könnte also für den Fragesteller eifelmaen insbesondere bei einer großen Anzahl von erhaltenen Aufträgen erheblich gestört sein. Ob es deshalb für „eifelmaen“ Sinn macht, sich überhaupt in den Bauausschuss wählen zu lassen, sollte durchaus überlegt werden.
Andererseits wäre es m. E. natürlich auch „schade“, Sachverstand einfach brach liegen zu lassen, nur weil ein „böser Anschein“ vermieden werden soll!
zu dem Thema habe ich auch bereits den gleich lautenden Beitrag Ausschließungsgründe – Mitwirkungsverbot und Befangenheit verfasst.
Tuba meint
Darf ein Mitarbeiter einer Aufsichtsbehörde eines Landkreises gleichzeitig sachkundiger Bürger in dem zuständigen Fachausschuss der beaufsichtigten kreisangehörigen Stadt sein? Oder besteht hier ein Konflikt?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Tuba,
zunächst bitte ich um Entschuldigung, dass ich mich erst jetz mit der Antwort – und dann auch nur kurz – beschäftige.
Auf sachkundige Bürger sind m. E. die Regelungen der Inkompatibilität anzuwenden. Aus einem Urteil des OVG Münster vom 20.09.1983 entnehme ich den deutlichen Hinweis, dass die sogenannten „Inkompatibilitätsgrundsätze“ auch für sachkundige Bürger gelten. Dies gilt sogar für sachkundige Bürger, die nur mit beratender Stimme teilnehmen. Das halte ich für konsequent, da ja immerhin der sachkundige Bürger insgesamt an dem Entscheidungsvorgang beteiligt ist. Es soll der böse Anschein vermieden werden …
Die Ausschließungsgründe des § 31 GO NRW enthalten zwar für den bei einer Aufsichtsbehörde Beschäftigten keine Regelungen. Gemäß § 13 Abs. 1 Buchstabe b) KWahlG darf ein bei der Aufsichtsbehörde Beschäftigter aber erst gar nicht zur Gemeindevertretung gewählt werden, solange er mit der Aufsicht befasst ist. Würde es diese Regelung im KWahlG nicht geben, so müssten m. E. die Ausschließungsgründe im Hinblick auf bei der Aufsichtsbehörde Beschäftigte erweitert werden.
Also – ich halte es für problematisch, dass jemand, der bei einer Aufsichtsbehörde auch mit der Aufsicht befasst ist, in einem Ausschuss als sachkundiger Bürger tätig ist. Dies jedenfalls dann, wenn die Arbeit des Auschusses Schnittpunkte mit der Tätigkeit des sachkundigen Bürgers in der Aufsichtsbehörde aufweisen kann. Tja, etwas allgemein, aber … im Grunde müsste hier der Einzelfall genau betrachtet werden!
Grüße
Sönke Nippel
wissensman meint
Darf ein Mitarbeiter (nicht Führungskraft) eines Versorgungsunternehmens in seiner Funktion als Stadtrat- oder Kreistagsabgeordneter an Beratungen und Abstimmungen der Fraktion und der Ratsgremien aktiv teilnehmen, bei denen es um die künftige Rolle eines konkurrienden Versorgungsunternehmens geht. Dieses Versorgungsunternehmen hat die Stadt in der das Mandat ausgeübt als Hauptgesellschafter!
Auch spielen Fusionen oder Kooperationen mehrerer Versorgungsunternehmen hier eine Rolle.
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Wissensmann,
auch hier: Danke für die interessante Frage!
§ 31 Abs. 1 GO NRW ist nicht einschlägig, da weder dem Mitarbeiter selbst (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 GO NRW), einem Angehörigen (Nr. 2) noch einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person (Nr. 3) ein Vor- oder Nachteil entstehen kann. § 31 Abs. 1 Nr. 3 GO NW ist nicht einschlägig, da der Mitarbeiter gemäß der Anfrage keine Führungskraft ist.
Das Mitwirkungsverbot gilt aber auch, wenn der Betreffende bei einer natürlichen Person, einer juristischen Person oder einer Vereinigung, der die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann, gegen Entgelt beschäftigt ist und nach den tatsächlichen Umständen, insbesondere der Art seiner Beschäftigung, ein Interessenwiderstreit anzunehmen ist, § 31 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW.
Also – gegen Entgelt ist der Mitarbeiter bei einem Versorgungsunternehmen beschäftigt.
Wird bei der Abstimmung über die künftige Rolle des konkurrierenden Versorgungsunternehmens entschieden, so kann die Entscheidung für das Versorgungsunternehmen, bei dem der Betreffende beschäftigt ist, auch einen Vor- oder Nachteil bringen.
Ob ein Interessenwiderstreit nach den tatsächlichen Umständen vorliegt, muss im Einzelfall entschieden werden: ergibt sich aus der Art der Beschäftigung, dass ein Interessenwiderstreit nicht vorliegen kann, liegt kein Mitwirkungsverbot vor. so wird ein einfacher Arbeitnehmer in der Regel nur dann ausgeschlossen sein, wenn es bei der Entscheidung des Rates um das Schicksal seines Arbeitsplatzes oder seines Betriebes im Ganzen geht (so der Kommentar Articus/Schneider, zu § 31 zu 7.). Rechtsprechung dazu habe ich nicht gefunden – aber: wird über die künftige Rolle des Konkurrenten entschieden, so liegt eine Betroffenheit des „Schicksal(s) des Betriebes im Ganzen“ nicht fern. M. E. sollte sich dann auch der betroffene Mitarbeiter nicht an einer Abstimmung beteiligen. Es soll „der Böse Anschein vermieden werden“!
Grüße
PeterW meint
Dürfte ich Sie mit einer Frage hinsichtlich sachkundiger Bürger „belästigen“ ? In § 58 Abs. 3 GO NRW heißt es in dem Zusammenhang „…, die dem Rat angehören können,…“, was für mich soviel bedeutet, dass die Vorauassetzungen des § 12 und 13 KWahlG erfüllt sein müssen.
Sinn und Zweck der Inkompatibilitätsgründe des § 13 KWahlG liegt m.E. unter anderem darin, dass man nicht einer Vertretung angehören kann, während man gleichzeitig im Dienst einer entsprechenden Aufsichtsbehörde steht. Im Fall des Buchstaben a), liegt in meinen Augen eine Imkompatibiltät vor, weil der Rat nun auch eine gewisse Kontrollfunktion über die Verwaltung ausübt. Alles in allem offensichtliche Interessenskollisionen.
Wenn man dies aber nun versucht 1:1 auf die sachkundigen Bürger zu übertragen (wie es der Wortlauf des § 58 Abs. 3 GO NRW vorsieht), sehe ich den Sinn nicht, warum ein sachkundiger Bürger nicht Mitarbeiter der gleichen Verwaltung sein darf, da doch ein (womöglich freiwilliger) Ausschuss keine Kontrollfunktion über die Verwaltung ausübt ?! Oder habe ich einen Denkfehler ?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Peter,
Sie belästigen mich nicht mit der Frage – gerne nehme ich kurz Stellung, muss aber gleichzeitig sagen, dass ich die Fragestellung bzw. den hinter der Frage stehenden Sachverhalt nicht ganz verstehe. Deshalb vermute ich einen Denkfehler:
§§ 12 und 13 KWahlG regeln die Wählbarkeit von bestimmten Personen bzw. die Unvereinbarkeit von Beruf und politischem Mandat. Wenn es z. B. – richtigerweise – einem städtischen Angestellten oder auch bestimmten in der Aufsichtsbehörde Tätigen verwehrt ist, in den Rat einer Stadt gewählt zu werden, warum sollte diesen Personen dann über die Tätigkeit als sachkundiger Bürger eine Einflussmöglichkeit eröffnet werden?
Grüße
Sönke Nippel
reporter meint
Hallo,
haben Sie eine Erklärung oder gar Gerichtsurteil(e) zu §31 der GO, und zwar hierzu:
„(2) Das Mitwirkungsverbot gilt auch, wenn der Betreffende …
… 2.Mitglied des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs einer juristischen Person oder einer Vereinigung ist, der die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann, es sei denn, er gehört den genannten Organen als Vertreter oder auf Vorschlag der Gemeinde an …“
Insbesondere dazu, dass demnach „Gemeindevertreter“ als Mitglied beispielweise im AR einer AG (mit 50%-iger städtischer Beteiligung) mit beschließen dürfen, sie selbst zu erächtigen, im AR einen Beschluss zu fassen.
Dies auch vor dem Hintergrund, dass solche AR-Mitglieder von der AG „Bezüge“ entsprechende erhalten.
Mir scheint das alles etwas „verquer“.
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Reporter,
§ 31 Abs. 2 Nr. 2 GO NRW stellt die Tätigkeit als Mitglied eines Organs einer juristischen Person oder Vereinigung der entgeltlichen Beschäftigung (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW) gleich. Also: der Vorstand einer AG darf ebenso wie ein bei der AG beschäftigtes Ratsmitglied nicht mitbeschließen, wenn der Beschluss die AG betrifft (dies ist eigentlich selbstverständlich).
Etwas Anderes gilt gemäß dem letzten Halbsatz von § 31 Abs. 2 Nr. 2 GO NRW nur, wenn das Ratsmitglied vom Rat in die juristische Person entsandt wurde. Beispiel: Ratsmitglied R wurde als Aufsichtsratsmitglied in die Stadtwerke AG entsandt. Dann darf R – auch wenn er Aufsichtsrat der Stadtwerke AG ist – mitstimmen.
Grüße
Sönke Nippel
carlo di fabio meint
guten tag!
wie sieht es aus mit der befangenheit von mitgliedern der bundesversammlung (wahl BuPräs)?
wann liegt ein „böser anschein“ vor?
wurden die mitglieder auf befangenheit getestet/untersucht?
fakten/argumente… bitte an:
> carlo.difabio@yahoo.de
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Herr DiFabio,
die Befangenheit von Mitgliedern der Bundesversammlung ist keine „kommunalrechtliche Angelegenheit“.
Grüße
Sönke Nippel
praktikant meint
Guten Tag!
Ist der Beschluss einer Ausschuss-Sitzung ( kein Pflichtausschuss)
unwirksam wenn die Stellvertretung eines Ausschussmitgliedes
( sachkundiger Bürger) nicht zulässig war?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Bitte geben Sie mir noch etwas Zeit zur Beantwortung der Frage.
Grüße
Ein Unabhängiger meint
Guten Tag Herr Nippel,
eine Frage zu einer etwas verzwickten Situation bzgl. Befangenheit.
Es geht um die Errichtung einer Multifunktionshalle zur Durchführung der Übermittagsverpflegung mehrerer weiterführenden Schulen (Schul-Mensa) und weiterer Veranstaltungen. Die Anwohner protestieren seit Bekanntwerden gegen das Bauvorhaben. Hier wurden Verhandlungen geführt, als deren Ergebnis unter anderem auf die Positionierung der Eingänge, der Parkplätze und die Anzahl der Veranstaltungen nach 22 Uhr auf maximal 20 beschränkt wurde. Eine Übersicht dieser Veranstaltungen (inkl. Veranstalter) wurde seitens der Stadtverwaltung den Mitgliedern des zuständigen Ausschusses zur Verfügung gestellt.
a) Ein Ratsmitglied wurde hier grundsätzlich für befangen erklärt, da sich sein Wohnhaus in unmittelbarer Entfernung (ca. 100 Meter) zum geplanten Standort befindet und er auch als Vertreter der Anwohner Gespräche mit der Stadtverwaltung geführt hat.
b) Ein sachkundiger Bürger, der Vorsitzender des Karnevalsvereins ist, der 6 der 20 Veranstaltungen nach 22 Uhr durchführen soll, wurde ausdrücklich nicht für befangen erklärt, ein Befangenheitsantrag wurde abgewiesen.
Sind diese Entscheidungen in dieser Art und Weise gerechtfertigt?
Müsste nicht laut § 31 GO NRW, Abs. 2 Nr. 2 auch in Fall b) eine Befangenheit vorliegen, da dieser sachkundige Bürger als Vereinsvorsitzender einen (auch wirtschaftlichen) Vorteil aus der Errichtung der Multifunktionshalle zieht?
Sollten weitere Einzelheiten benötigt werden, kann ich diese gerne nachreichen.
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Unabhängiger,
bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich erst in den nächsten Tagen ausführlicher antworten kann – das mit dem sachkundigen Bürger und Vereinsvorsitzenden (zu b) scheint allerdings nach einer ersten Beurteilung „abenteuerlich“.
§ 31 GO gilt über § 43 Abs. 2 GO für Ratsmitglieder und sachkundige Bürger. Bei dem Karnevalsverein handelt es sich um eine juristische Person oder Vereinigung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 2 GO NRW. Der Vorsitzende des Karnevalsvereins ist nach einer ersten Einschätzung zumindest ein „gleichartiges Organ“ des Vereins im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 2 GO NRW sein. Ein Vor- bzw. Nachteil für den Karnevalsverein im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 2 GO NRW dürfte ebenfalls vorliegen.
Grüße
Sönke Nippel
Ein Unabhängiger meint
Hallo Herr Nippel,
vielen Dank für diese sehr schnelle erste Einschätzung!
Schöne Grüße!
Dodo meint
Sehr geehrte Damen und Herren,
mich interessiert, ob bei einem Ratsmitglied (auch im USTEA) bei dem Thema Verkehrsberuhigung für eine Straße, in der er wohnt und gegen die er sich vehement und unsachlich in einem Leserbrief der Tageszeitung geäußert hat, Befangenheit vorliegt. Er hat in dem Leserbrief ebenfalls veröffentlicht, dass er im Fall einer Abstimmung gegen die Maßnahme stimmen wird. Es handelt sich um ein Mitglied einer Freien Wählgemeinschaft, die wie erwähnt im Rat vertreten ist. Ich wohne am anderen Ende der Straße und bin für verkehrsberuhigende Maßnahmen.
Für Tips jeglicher Art, evtl. auch Rechtsanwaltempfehlung wäre ich dankbar.
Viele Grüße
D.A.
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Dodo,
grundsätzlich halte ich das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 GO NRW bei dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt für möglich.
In der Rechtsprechung habe ich zu dem Thema „Verkehrsberuhigung“ und „Befangenheit“ ein Urteil des VGH Mannheim (Urteil vom 28.06.1996 – 8 S 113/96) gefunden, in dem zwar eine Befangenheit im Hinblick auf eine Verkehrsberuhigung nicht angenommen wurde. Die Befangenheit wurde aber nur deshalb abgelehnt, weil der Bau einer „Straßentangente“ beschlossen wurde. Der Beschluss zu der Tagente führte noch nicht zu einem unmittelbaren Vorteil des Ratsmitgliedes, der im Stadtzentrum ein Geschäft betrieb. Der Beschluss über das Straßenbauvorhaben führte noch nicht zu einer planerischen Neugestaltung des Stadtzentrums.
Im Umkehrschluss entnehme ich dem o. g. Urteil, dass ein Ausschlussgrund jedenfalls dann möglich gewesen wäre, wenn eine Beschlussfassung direkt zu der Verkehrsberuhigung erfolgt wäre.
Im Hinblick auf die Befangenheit dürfte aber auch eine Rolle spielen, ob der angesprochene Ratsherr Mieter oder Eigentümer ist, …
Grüße
Sönke Nippel
MichaelS meint
Sehr geehrter Herr Nippel,
meine Frage bezieht sich auf § 31 GO.
Angenommen es liegt ein TOP vor, der so viele Ratsmitglieder nach § 31 GO betrifft, dass bei einem Rat von z.B. 44 Ratsmitglieder, 23 Ratmitglieder die Sitzung verlasen müssen.
Gemäß § 49 GO wird jetzt die Beschlussunfähigkeit festgestellt.
Der TOP wird übersprungen und die Sitzung geht weiter.
Bei der nächsten Sitzung wird der gleiche TOP gemäß § 49 II GO aufgenommen.
Können nun die betroffenen Ratsmitglieder gegen den Beschluss klagen?
Da die betroffenen Ratsmitglieder ja weiterhin betroffen sind, aber so keine Möglichkeit haben, ihre Einwände geltend zu machen.
Herzlichen Dank.
Michael
Ratsherr meint
Ich sitze im Rat einer Gemeinde in NRW und bin Konrektor einer Hauptschule. Nun plant die Gemeinde die Einrichtung einer Sekundarschule mit einer Nachbargemeinde. Dabei wird irgendwann nach Auslaufen der Hauptschul-Jahrgänge , etwa in 5 Jahren, meine Hauptschule dicht gemacht und ich werde dann wohl an eine andere Schule versetzt. Meine Hauptschule wird mit der benachbarten Realschule zu einer Sekundarschule zusammengefaßt, deren künftiger Schulleiter sich um die Stelle bewerben muss. Ich habe dadurch weder Vor- noch Nachteile. Mein Schicksal ist ungewiß, bin jedoch Beamter und – wie bereits erwähnt – kann mich mein Dienstherr irgendwo hin versetzen. Ich habe von der Entscheidung für die Einrichtung der Sekundarschule mit der Nachbargemeinde weder persönliche Vor- noch Nachteile. Dennoch wurde ich beim betreffenden Tagesordnungspunkt bei der entsprechenden Gemeinderat-Sitzung vom Bürgermeister als befangen erklärt und mußte meinen Platz verlassen und bei den Zuschauern Platz nehmen.
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Ratsherr,
bitte geben Sie mir noch etwas Zeitz für eine Antwort bzw. haben Sie Verständnis dafür, dass ich nur eine „erste Einschätzung“ geben kann …
Nach einer ersten Einschätzung könnte durchaus der Ausschließungsgrund des § 31 Abs. 1 Nr. 1 GO NRW vorliegen.
Ziel dieser Regelung des § 31 Abs. 1 GO NRW ist bereits, den „bösen Schein” von Interessenkonflikten zwischen Stadtratsmitglied und Stadtrat bzw. den Interessen der vertenen Gemeinde zu vermeiden und dient damit der „Sauberkeit” der Arbeit des Gemeinderates.
Unmittelbarkeit eines Vor- oder Nachteils liegt vor, wenn ein individueller Sondervor- oder Nachteil vorliegt.
Zu Vor- oder Nachteilen führen Sie zwar aus, dass Sie durch die Planung weder Vor- noch Nachteile haben. Gleichzeitig sagen Sie, „Ihr Schicksal sei ungewiss“. Besteht dann nicht doch – zumindest die entfernte Möglichkeit – dass durch die Planung „Ihr ungewisses Schicksal“ betroffen ist?
Vor dem Hintergrund, dass es bei der zur Tagesordnung aufgenommenen Planung um die Einrichtung einer Sekundarschule geht (?), ist ein individuelles Sonderinteresse meines Erachtens nicht ohne weiteres auszuschließen.
Aber … dies ist nur eine erste Einschätzung.
Grüße
Sönke Nippel
Bürger 100 meint
Hallo Herr Nippel,
darf ich anfragen ob ein Beschäftigter beim Ordnungsamt einer Stadt Parteipolitisch tätig sein und auch für den Stadtrat oder Kreistag kandidieren um somit neben seiner Arbeit Ratsherr zu werden?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Bürger,
§ 42 Abs. 1 S. 2 GO NRW i. V. m. § 13 KWahlG enthält die einschlägigen Regelungen zur Wählbarkeit:
Bedenken zur Wählbarkeit eines Bediensteten im Ordnungsamt in den Stadtrat ergeben sich meines Erachtens im Hinblick auf § 13 Abs. 1 lit. a) KWahlG. Eine Inkompatibilität ist m. E. wegen der Gefahr einer Interessenkollision gegeben. Dies gilt zumindest dann, wenn der Aufgabenkreis des Beamten oder Angestellten der Gemeinde auf seinem Dienstposten im Ordnungsamt, also hinsichtlich seines konkreten Amts im funktionellen Sinne, Gegenstände betrifft, die in den Aufgabenbereich des Stadtrates fallen. Ratsherr können Sie also in der Regel nur in einer anderen als der Gemeinde werden, bei der Sie angestellt sind.
Bedenken zur Wählbarkeit eines Bediensteten im Ordnungsamt einer kreisangehörigen Gemeinde in den Kreisrat ergeben sich meines Erachtens im Hinblick auf § 13 Abs. 1 lit. e) KWahlG.
Grüße
Sönke Nippel
Sonnenblume meint
Hallo Herr Nippel
nach langer Zeit möchte ich mich als Ratsvertreter einer kleinen NRW-Kommune noch einmal mit einer Frage an Sie wenden.
Ist es ohne Bedeutung oder schon eher bedenklich, wenn ein Amtsleiter, allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters, gleichzeitig Kreistagsmitglied in einem Nachbarkreis ist? Dieser Kreis ist zwar in einem anderen Bundesland, welches aber die Kommune grenzlich direkt tangiert.
Dieser AV ist bei seinem Arbeitgeber u.a für Wirtschaftsförderung zuständig und gleichzeitig Mitglied im Kreisentwicklungsausschuss des Nachbarkreises.
Ebenso Mitglied im Verwaltungsrat/ Sparkassenstiftung der Sparkasse in seiner Arbeitgeberkommune und stellvertetendes Verwaltungsratsmitglied der Kreissparkasse im Nachbarkreis.
Es würde mir ein Stück weit Unbehagen abnehmen, wenn ich diese Frage einmal beantwortet wüsste. Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Bemühungen und verbleibe
mfG Sonnenblume
Bürgerlein meint
Hallo,
ich habe zwei Fragen.
Ist es für einen Beschäftigten einer Stadt möglich als sachkundiger Bürger Mitlgied im Betriebsausschuss eines der Kommune gehörenden Eigenbetriebes zu sein, wenn er nicht Beschäftigter des Eigenbetriebes ist?
Ist es möglich Mitglied des Aufsichtsrates einer zu 100 Prozent im Besitz der Kommune befindlichen GmbH zu sein, wenn man gleichzeitig Angestellter der Kommune ist?
Besten Dank und freundliche Grüße!
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Bürgerlein,
zu a) …
§ 58 Abs. 3 S. 1 GO lautet, dass sachkundiger Bürger werden kann, wer auch dem Rat angehören kann.
§ 58 GO verweist also im Ergebnis auf § 13 KWahlG, der eindeutige Regelungen enthält. Beamte und Arbeitnehmer können nicht der Vertretung ihrer Anstellungskörperschaft angehören, § 13 Abs. 1 lit. a) KWahlG. So kann der Beschäftigte einer Stadt nicht auch Ausschussmitglied sein. Dies gilt dann auch für den Betriebsausschuss des Eigenbetriebes.
zu b) …
Bei Eigengesellschaften der Stadt hätte ich zunächst keine Bedenken, dass ein Angestellter der Stadt auch Mitglied des Aufsichtsrates einer Eigengesellschaft sein kann und darf. Oder haben Sie Bedenken?
Bei dem Aufsichtrat einer GmbH handelt es sich nicht um ein „politisches Gremium“. Schließlich muss im Ergebnis die Verwaltung die Eigengesellschaften „kontrollieren“. Wer sollte das sonst übernehmen?
Grüße
Sönke Nippel