Anwalt und Kommunalrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Öffentlichkeit von Gemeinderats-/ Stadtratssitzungen – Ausnahmen

vom 16. Juni 2009, zuletzt geändert am 24. Januar 2021

Die Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen ist immer wieder Gegenstand von Streitigkeiten.

Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) sind die Sitzungen des Rates öffentlich. Nach Satz 2 der Vorschrift kann durch die Geschäftsordnung die Öffentlichkeit für Angelegenheiten einer bestimmten Art ausgeschlossen werden. Dem Wortlaut des § 48 Abs. 2 S. 2 GO NRW sind aber keine Kriterien dafür zu entnehmen, in Angelegenheiten welcher Art der Gemeinrat die Öffentlichkeit ausschließen darf. Wegen der großen Bedeutung des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit ist hieraus aber nicht zu schließen, dass der Gemeinderat für den Ausschluss der Öffentlichkeit keinen Bindungen unterliegt (vgl. Beschluss des OVG Münster vom 12. September 2008, 15 A 2129/08). § 48 Abs. 2 S. 2 GO NRW setze vielmehr voraus, dass aus anderen Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätzen herzuleiten ist, in welcher Art von Angelegenheiten in nichtöffentlicher Sitzung zu beraten ist (s. o., Beschluss des OVG).

Nach der Wertung des § 30 Abs. 1 S. 1 und 2 GO NRW zur Verschwiegenheitspflicht ist der Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Beratung über Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich ist, zulässig. Das treffe wiederum bei abstrakt-genereller Betrachtung auf Liegenschaftssachen jedenfalls dann zu, wenn der Begriff auf Verträge über Grundstücke beschränkt werde (s. o., OVG Münster, Rdnr. 17). Der Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Beratung von Grundstücksverträgen durch die Geschäftsordnung dürfte in der Regel zulässig sein, da eine öffentliche Beratung die Verhandlungsposition der Gemeinde in etwaigen weiteren Vertragsverhandlungen schwächen könnte (s. o., Leitsatz des OVG).

– siehe zu dem Thema auch den Artikel hier im Forum: „Tagesordnung und Öffentlichkeit von Ratssitzungen“

 

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5 Fragen/Antworten

  1. Sebastian meint

    5. Dezember 2009

    Hallo,
    ich habe eine Frage zum Öffentlichkeitsprinzip.
    Eine Gemeindevertretung hat den Bürgermeister (hauptamtl. BM) vorläufig von den Amtsgeschäften suspendiert (LBeamtengesetz M-V).

    Nun wurde durch eine Fraktion ein Antrag gestellt, darüber einen neuen Beschluß zu fassen. Der Bürgervorsteher hat dies in den nichtöffentlichen Teil der Stadtvertretersitzung gelegt.
    Ich frage mich, wo hier Belange des Gemeinwohls bzw. Interessen Einzelner verletzt sind.
    Wäre dies nicht ein Punkt für den öffentlichen Teil der Sitzung??

    Vielen Dank und liebe Grüße
    Sebastian

    antworten
    • Rechtsanwalt S. Nippel meint

      11. Dezember 2009

      Also – vielen Dank für die interessante Frage! Gleichzeitig bitte ich um Entschuldigung dass ich erst jetzt antworte und dann auch nur „auf die Schnelle“.

      Ohne eine vertiefte Kenntnis der Sachlage kann ich aber wirklich keine Aussagen treffen. Hier scheint ja doch Einiges vorgefallen zu sein … Bis ein hauptamtlicher Bürgermeister suspendiert wird …

      Ist dann der BM suspendiert, so kann ich mir einige Konstellationen vorstellen, dass die Öffentlichkeit aus den verschiedensten Gründen nicht beiteiligt wird.

      Die Frage hört sich sehr interessant an. Ich bin zwar in den letzten Wochen sehr „im Stress“, aber mich würde schon interessieren, wie der Auschluss begründet wurde. Zumal der Ausschluss im Ergebnis nur dazu führt, dass die Öffentlichkeit erst recht „spitz gemacht wird“. Tut mir leid, dass ich hier nicht konkreter ausführen kann, aber mir fehlen die erforderlichen Infos.

      Grüße
      Sönke Nippel

      antworten
  2. Uli meint

    26. März 2010

    Hallo,
    meine Frage zum Öffentlichkeitsprinzip:
    Im Rat meiner Heimatstadt Greven wurde jetzt eine nichtöffentliche Finanzausschusssitzung zum Haushalt abgehalten. Beraten wurde hier eine sogenannte „Giftliste“ des Kämmerers, mit Gebühren- und Steuererhöhungen. Darf eine solche Sitzung, mit möglicherweise weitreichenden finanziellen Folgen für uns Bürger, „geheim“ abgehalten werden. Aus meiner Sicht widerspricht dies dem Öffentlichkeitsprinzip der GO NRW und ist nicht zu tolerieren. Gibt es hiergegen als Bürger eine Klagemöglichkeit ?

    antworten
    • Rechtsanwalt S. Nippel meint

      29. März 2010

      Hallo Uli,

      ohne jetzt das „Rad neu erfinden zu wollen“ gebe ich auszugsweise den Wortlaut des Kommentars von Articus/Schneider „Kommentar zur Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen“ zu § 48 sowie eines Leitfadens der Friedrich-Ebert-Stiftung unter der Überschrift „Die Öffentlichkeit von Ratssitzungen“ wieder (in Wegbeschreibung für die kommunale Praxis, RF 6):

      … zum anderen führen Verstöße gegen diesen Grundsatz zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse … (s. o. Kommentar zur GO NRW, § 48 Anm. 6).

      … Ein Verstoß gegen den „Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit“ hat die Nichtigkeit der Beschlüsse zur Folge, ohne dass der Nachweis geführt werden müsste, dass die Beschlüsse bei öffentlicher Sitzung anders ausgefallen wären (vgl. OVG Münster, Der Städtetag 1979, 528). Siehe ferner OVG Lüneburg, NVwZ 1983, 484 und VGH Mannheim, DÖV 1983, 76. Denn die Öffentlichkeit der Ratssitzungen fließt aus dem Demokratiegebot und ist damit ein tragender Grundsatz des Kommunalverfassungsrechts. Streitig ist, ob ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz einen Ratsbeschluss, soweit dieser Verwaltungsakt ist (§ 35 VwVfG), nur vernichtbar (so VGH Kassel, DÖV 1990, 622) oder nichtig macht (so OVG Münster, DÖV 1961, 295). Maßgebend ist § 44 VwVfG. Danach ist die Nichtigkeit in der Regel nicht gegeben. …

      Also, sollte in der Ratssitzung ein Beschluss gefasst werden, so könnte der Beschluss gemäß den obigen Ausführungen angegriffen werden. Eine „Popularklage“ eines Bürgers halte ich diesbezüglich allerdings für problematisch. Zunächst hat nur das einzelne Ratsmitglied einen einklagbaren Anspruch auf Einhaltung der Sitzungsöffentlichkeit (s. o. Articus/Schneider mit weiteren Hinweisen).

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