Jede Fraktion, die in einem Ausschuss nicht vertreten ist, ist berechtigt, für diesen Ausschuss ein Ratsmitglied oder einen sachkundigen Bürger, der dem Rat angehören kann, zu bestellen, § 58 Abs. 1 S. 7 GO NW.
Für den Hauptausschuss, den Finanzausschuss und den Rechnungsprüfungsausschuss besteht die Regelung, dass diesen Ausschüssen nur Ratsmitglieder angehören dürfen, § 58 Abs. 3 S. 1 GO NW i. V. m. § 59 GO NW.
Für den Jugendhilfeausschuss gilt § 58 Abs. 1 S. 7 GO NW nicht. Das Recht nach § 58 Abs. 1 S. 7 GO NW stellt sich zwar als wehrfähiges Recht im Organstreitverfahren dar. Aber in § 5 AG KJHG NW in Verbindung mit der Möglichkeit der Gestaltung durch Satzung (vgl. § 5 Abs. 3 AG KJHG NW) ist die Zugehörigkeit beratender Mitglieder abschließend geregelt. Eine Fraktion kann also einen „sachkundigen Bürger“ nicht ohne Weiteres in den Jugendhilfeausschuss „drücken“.
Schließlich ist bei der Besetzung der Ausschüsse mit sachkundigen Bürgern auch zu beachten, dass die Zahl der sachkundigen Bürger die der Ratsmitglieder nicht übersteigen darf, § 58 Abs. 3 S. 3 GO NW.
Vgl. auch den Artikel „Der sachkundige Bürger in der Gemeindeordnung“ (Link: Artikel hier im Forum „Der sachkundige Bürger in der Gemeindeordnung“).
hsp meint
Der Unterschied zwischen Bürgern und Einwohnern ist bekannt. Es gibt sachkundige Bürger und es soll auch sachkundige Einwohner geben. Liegt der einzige Unterschied wirklich nur darin, dass als sachkundige Einwohner auch Ausländer mitwirken können? Oder ist es eher so, dass sachkundige Bürger dem Rat zuzuordnen sind und in den jeweiligen freiwilligen Ausschüssen ein Stimmrecht haben, die SKE jedoch nicht?
Über eine baldige Antwort würde ich mich sehr freuen.
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo hsp,
also – die Rechtsfigur des so genannten „sachkundigen Einwohners“ wurde eingeführt, um die beratende Mitwirkung von ausländischen Einwohnern zu ermöglichen (heute in § 58 Abs. 4 GO NRW geregelt). Der „Einwohner“ ist ja nicht automatisch „Bürger“:
§ 21 GO NRW Einwohner und Bürger
(1) Einwohner ist, wer in der Gemeinde wohnt.
(2) Bürger ist, wer zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt ist.
Weiterhin sind sachkundige Bürger dem Rat insofern zuzuordnen, als sie vom Rat gewählt werden und dem Rat angehören können (vgl. § 58 Abs. 1 S. 7 GO und § 58 Abs. 3 S. 1 NRW).
Schließlich gibt es sachkundige Bürger mit und ohne Stimmrecht (jedenfalls in NRW!). Dies ergibt sich in NRW schon daraus, dass für den sachkundigen Bürger gemäß § 58 Abs. 1 NRW das Stimmrecht in Satz 9 zunächst ausdrücklich ausgeschlossen bzw. durch den Zusatz „mit beratender Stimme“ (eben nicht mit Stimmrecht) vorgegeben wird. § 58 Abs. 3 GO NRW enthält aber für den „normalen“ sachkundigen Bürger“ keinen derartigen Ausschluss bzw. eine derartige Vorgabe (Vorsicht: dies ist in den Gemeindeordnungen anderer Länder offensichtlich anders geregelt! – hier hat der sachkundige Bürger oft ausdrücklich kein Stimmrecht, vgl. z. B. § 44 Abs. 7 S. 2 Brandenburger Landkreisordnung).
Hingegen wird für alle „sachkundigen Einwohner“ das Stimmrecht in § 58 Abs. 4 S. 1 GO NRW ausgeschlossen bzw. vorgegeben durch den Zusatz „mit beratender Stimme“, § 58 Abs. 4 S. 1 GO NRW.
hsp meint
Herzlichen Dank für Ihre Antwort. Mir hat sie sehr weiter geholfen, da unsere Stadtpolitiker anscheinend „aus Prinzip“ nicht antworten.
petzschmann meint
Sachkundiger Bürger
Welche Rechte hat der sachkundige Bürger in der Fraktion?
Bei uns in der Fraktion wollten wir den Sachverstand der sachkundigen Bürger in die Fraktionsarbeit mit einbeziehen. In unserem Statut/ Geschäftsordnung war das so geregelt, dass die SKB bei Abstimmungen in der Fraktion volles Stimmrecht hatten. Nach §56 GO NRW besteht die Fraktion aber nur aus den Ratsmitgliedern. Nun gibt es aber in unser Fraktion Zweifel, ob diese Vorgehensweise rechtlich einwandfrei ist. Wie können wir ggf. unser Statut/ Geschäftsordnung so gestalten, dass die SKB weiterhin wertgeschätzt und einbezogen werden?
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Lieber Leser,
die rechtlichen Bedenken der Fraktion kann ich zunächst ganz gut nachvollziehen – aber: eine Abstimmung innerhalb der Fraktion hat keine direkte Außenwirkung. Inwiefern soll ein Außenstehender dann gegenüber der Fraktion geltend machen können, dass etwas „nicht richtig gelaufen ist“? Oder besteht hier die Befürchtung, dass nicht Dritte, sondern die Fraktionsmitglieder (bzw. die sachkundigen Bürger) Abstimmungsergebnisse angreifen?
Ich mache mich aber noch einmal schlau, inwiefern Regelungen zu einer Abstimmung innerhalb der Fraktion angegriffen werden können, wenn „Dritte“ mitstimmen bzw. inwiefern Dritte wirksam in eine Beschlussfindung einbezogen werden können.
Grüße
Sönke Nippel
Villiper meint
Guten Tag Herr Nippel,
mich würde sehr interessieren, ob Sie dazu neue Erkenntnisse haben, denn in unserer Fraktion gibt es jemanden, der die sachkundigen Bürger von allen Abstimmungen ausklammern will und begründet das mit einer Kommentierung zur GO von Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch führt zu § 56 GO auf den Seiten 4 ff :
‚Nur Ratsmitglieder und Mitglieder einer Bezirksvertretung können sich zu einer Fraktion zusammenschließen, nicht aber Ausschussmitglieder. Sachkundige Bürger oder sachkundige Einwohner können somit nicht Mitglied einer Fraktion werden. Ebenso sind Fraktionsbildungen in Ausschüssen ausgeschlossen. Ungeachtet der Tatsache, dass sachkundige Bürger und sachkundige Einwohner nicht zu den Fraktionsmitgliedern zählen, steht es der Fraktion frei, zu ihren Sitzungen „Gäste“ einzuladen. Diesen Gästen steht zwar grundsätzlich das Rederecht, nicht jedoch das Stimmrecht als echtes Mitgliedschaftsrecht in der Fraktion zu. …‘
Die ganz große Mehrheit der „Gesamtfraktion“ möchte das anders haben und selbst unsere (Muster-)Geschäftsordnung definiert Kernfraktion = Ratsmitglieder und Fraktion (inkl. Sachk. Bürger).
1000 Dank im voraus
Nickname meint
Sehr geehrter Herr Nippel,
in welchem Rahmen kann ein Rat eine Begrenzung der Anzahl der sachkundigen Bürger vornehmen (über die gesetzliche Regelung hinaus)? Kann man festlegen, wieviele sBs eine Fraktion maximal benennen darf? Wenn eine Höchstgrenze bestimmbar ist, sind dann auch die Stellvetreter einzubeziehen bzw. zu reglemetieren?
Vielen Dank
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Nickname,
zunächst die „gesetzliche Regelung“:
§ 58 Abs. 3 S. 3 GO NRW:
… Die Zahl der sachkundigen Bürger darf die Zahl der Ratsmitglieder in den einzelnen Ausschüssen nicht erreichen. ….
Bei einem „fünfzehner Ausschuss“ also höchstens 7 sachkundige Bürger und 8 Ratsmitglieder. Dadurch wird insgesamt die Anzahl der sachkundigen Bürger begrenzt. Also können theoretisch so viele sachkundige Bürger in Ausschüsse (mit Ausnahme der Pflichtausschüsse) bestellt werden, so dass dann aber die Ausschüsse immer noch mehrheitlich mit Ratsmitgliedern besetzt sind.
Grüße
Sönke Nippel
(oder habe ich die Frage nicht ganz richtig verstanden – haben Sie Regelungen durch Geschäftsordnung oder Hauptsatzung im Hinterkopf? – hier müsste ich vertieft prüfen, ob tatsächlich eine Begrenzung möglich ist, z. B. um ein Ausufern von „Pöstchenbesetzungen“ zu vermeiden)
rainer10 meint
Es geht ja offensichtlich um die Frage, wie viel stellvertretende sachkundige Bürger benannt werden könne. Nach meiner Kenntnis muss das die Hauptstzung der Kommune regeln. Wenn ich die Gemeindeordnung NRW richtig interpretiere kann jede Fraktion theoretisch für jeden sachkundigen Bürger auch fünf stellvertretende sachkundige Bürger nominieren. Diese würden dann alle die entsprechenden Aufwandsentschädigungen für Fraktionssitzungen bekommen.
Rainer 10
sachkundiger Bürger meint
Dass sachkundige Bürger in einer Partei sein sollten, ist mir klar, aber müssen Sie auch in einer Partei sein – vorwiegend in der, die ihn beruft?
Ist es richtig, dass nur solche Personen als sachkundige Bürger gewählt werden können, die auf der Reserveliste stehen?
Frank Kemper meint
Guten Tag,
als einzelnes Gemeinderatsmitglied für die Linke gehöre ich keiner Fraktion an. Demnach kann ich keine sachkundigen Bürger benennen. Dies führt dazu das ich mich nicht vertreten lassen kann.
Unsere Gruppe im Kreistag besteht aus zwei Mitgliedern, ist damit auch keine Fraktion. Nach Prüfung durch das Innenministerium NRW wurde jedoch entschieden das sehr wohl sachkundige Bürger entsendet werden dürfen.
Dies wurde damit begründet das beide Kreistagsmitglieder in 5, bzw. Ausschüssen vertreten sind und alleine von der Anzahl her ein Stellvertreter notwendig sei.
Nun die Frage, könnte ich über diesen Weg auch einen Stellvertreter im Gemeinderat benennen?
Schon vorab vielen Dank und
mit freundlichen Grüßen
Frank Kemper, Gemeindevertreter Ruppichteroth
Rechtsanwalt S. Nippel meint
Hallo Herr Kemper – bitte geben Sie mir noch ein wenig Zeit für eine Antwort!